Mit Beschluss vom 21.07.2022 ersucht das Bundesarbeitsgericht (BAG) den Gerichtshof der europäischen Union (EuGH) um Auslegung des Unionsrechts. Es geht hierbei um die Frage, ob die Arbeitnehmerin eines katholischen Krankenhauses bereits dadurch als ungeeignet für ihre Tätigkeit anzusehen ist, weil sie vor Antritt des Arbeitsverhältnisses aus der katholischen Kirche ausgetreten war.
Was war passiert?
Die Beklagte gehört dem Deutschen Caritasverband an und betreibt Krankenhäuser. Die Klägerin war für die Beklagte bis Mitte 2014 tätig. Nachdem sich die Klägerin nachfolgend zunächst selbstständig machte trat sie im September 2014 aus der katholischen Kirche aus. Im Frühjahr 2019 bewarb sich die Klägerin erneut bei der Beklagten. Im Rahmen des Vorstellungsgespräches wurde ihre Kirchenzugehörigkeit nicht thematisiert. Einen in der Folge übersandten Fragebogen füllte die Klägerin wahrheitsgemäß aus, wobei sie auch den Austritt aus der katholischen Kirche angab. Die Beklagte versuchte daraufhin, die Klägerin in mehreren Gesprächen zum Wiedereintritt zu bewegen, als dies jedoch erfolglos blieb kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum August 2019. Problematisch ist hierbei, dass die Beklagte in ihren Krankenhäusern weitere konfessionslose Arbeitnehmer beschäftigt, die nicht zuvor katholisch waren.
Nachdem das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben hatte, wurde diese in zweiter Instanz durch das Landesarbeitsgericht abgewiesen. Das Verfahren über die Revision, über welche nunmehr durch das BAG zu entscheiden ist, wurde zunächst ausgesetzt.
Rechtliche Problematik
Die entscheidende Frage für das vorliegende Verfahren ist hierbei, ob die Ungleichbehandlung der Klägerin gerechtfertigt war oder nicht. Denn andere Arbeitnehmerinnen, welche ebenfalls als Hebammen für die Beklagte tätig sind und niemals Mitglieder der katholischen Kirche waren, wurden nicht entlassen, sondern weiterhin beschäftigt.
Das Vorlagegesuch des BAG bittet daher um Klärung der Frage, ob eine solche Ungleichbehandlung vor dem Hintergrund des Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der Richtlinie 2000/78/EG wegen der Religion gerechtfertigt sein kann. Denn nach Art. 21 der Grundrechtecharta sind Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse […] und auch der Religion verboten. Dieses Benachteiligungsverbot findet sich dabei u.a. auch im deutschen Recht in §§ 7 Abs. 1, 1 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz).
Berücksichtig werden muss hierbei, dass kirchliche Arbeitgeber aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechts zum Teil die Religionszugehörigkeit ihrer Arbeitnehmer voraussetzen können. Dies bedarf sowohl nach Rechtsprechung des BAG als auch des EuGH jedoch gerichtlich überprüfbarer Gesichtspunkte. Die Konfession müsse für die jeweilige Tätigkeit „eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation“ darstellen. Ob eine solche Anforderung vorliegend gegeben war, dürfte zumindest fraglich sein, wenn es andere Arbeitnehmer nicht an der Ausübung der Tätigkeit hindert.
Für die vorliegende Kündigungsschutzklage ist es daher entscheidend, ob aus Sicht des EuGH in der Kündigung der Klägerin aufgrund ihres Kirchenaustritts eine Diskriminierung gegenüber den konfessionslosen Arbeitnehmerinnen zu sehen ist oder ob die Kündigung aufgrund der religiösen Grundsätze der Beklagten als gerechtfertigt angesehen werden kann.
Sobald die Entscheidung des EuGH vorliegt und die Revision durch das BAG fortgeführt wird folgen hier weitere Einzelheiten.
Update: Das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht wurde durch das Anerkenntnis der beklagten Arbeitgeberin beendet. Diese folgte somit dem Kündigungsschutzantrag der Klägerin und hat diese als berechtigt anerkannt, wodurch die Kündigung als unwirksam anzusehen war und das Arbeitsverhältnis fortgesetzt wurde.
Da hierdurch jedoch das Ausgangsverfahren beendet worden ist, war auch die Vorlageentscheidung des EuGH erledigt und eine Entscheidung somit hinfällig. Die für den Januar 2024 geplanten Schlussanträge der Generalanwaltschaft, welche oftmals einen Ausblick auf die Entscheidung des EuGH geben, wurden ebenfalls nicht mehr gehört. Die Beklagte und insbesondere auch die katholische Kirche könnten durch diesen Schritt ein Urteil vermieden haben, welches durchaus das Potential gehabt hätte, das kirchliche Arbeitsrecht erheblich zu verändern.