von Robert Apitzsch
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27. Dezember 2022
Sofern das Führen eines PKW eine Verpflichtung im Rahmen des Arbeitsvertrages darstellt, kann die alkoholbedingte Entziehung der Fahrerlaubnis mitunter zur außerordentlichen bzw. ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber berechtigen. Doch was ist, wenn der Arbeitnehmer alternative Möglichkeiten auf eigene Kosten anbietet, um diese Zeit zu überbrücken? Mit dieser Problematik hatte sich vorliegend das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zu befassen. Sachverhalt Zwischen den Parteien bestand seit 1999 ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger war dabei als Key-Account-Manager tätig, dessen Aufgaben im Besuch und insbesondere der Beratung der Kunden der Beklagten bestand. Für die Stelle des Key-Account-Managers gab es hierbei ein Anforderungsprofil, welches unter anderem die hohe Reisebereitschaft, Flexibilität und damit einhergehend einen gültigen Führerschein voraussetzte. Die Kundenbesuche erfolgten dabei mit dem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Dienstwagen, welcher auch privat gefahren werden durfte. Zur Benutzung des Dienstwagens verpflichtete sich der Kläger zudem, niemals unter Alkohol- oder Drogeneinfluss zu fahren. Am 13.10.2019 verursachte der Kläger mit dem Dienstwagen einen Verkehrsunfall, indem er bei überhöhter Geschwindigkeit und unter Alkoholeinfluss von der Fahrbahn abkam. In Folge der Unfallaufnahme der Polizei und der nachgehenden Untersuchungen wurde dem Kläger zunächst vorläufig der Führerschein abgenommen. Zur Überbrückung der nicht fahrbereiten Zeit bot der Kläger mehrfach an, auf eigene Kosten einen Fahrer einzustellen um die Kundentermine wahrnehmen zu können. Nachdem das Amtsgericht ihm den Führerschein entzogen und eine Sperrzeit von 12 Monaten angeordnet hatte kündigte die Beklagte nach Anhörung des Betriebsrates das Arbeitsverhältnis am 21.10.2019 außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Hiergegen erhob der Kläger die Kündigungsschutzklage. Mit Urteil vom 02.09.2020 stellte das AG Ludwigshafen fest, dass das Arbeitsverhältnis weder außerordentlich, noch ordentlich aufgelöst wurde und verurteile die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Entscheidung Mit seinem Urteil vom 06.09.2021 wies das LAG die Berufung zurück, weil ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB nicht bestehe. Zwar liege mit der Entziehung der Fahrerlaubnis ein Umstand vor, welcher grundsätzlich geeignet sei, als wichtiger personenbedingter Grund nach § 626 BGB angesehen zu werden. Dies habe das BAG für Berufskraftfahrer auch bei privat verursachten Unfallfahrten unter Alkoholeinfluss angenommen. Zudem gelte dies auch für jene Fälle, in denen das Führen des PKW nicht die alleinige, jedoch eine wesentliche Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag darstelle, ohne die die Haupttätigkeit nicht ausgeübt werden könne. Da der Kläger vorliegend kein Berufskraftfahrer war, liege die Darlegungslast somit bei der Beklagten, ob und inwieweit die Tätigkeit nicht ohne Fahrerlaubnis auszuüben sei. Doch selbst, wenn man vorliegend davon ausginge, dass die Tätigkeit des Klägers nur unter Nutzung eines PKW ausgeübt werden könne - und dessen Nutzung somit Teil der geschuldeten Arbeitsleistung sei - so führe dies nicht automatisch dazu, dass die Kündigung als wirksam anzusehen ist. Unter Berücksichtigung des „ultima ratio“ Prinzips, wonach die Kündigung das letzte Mittel darstellt, ist zu überprüfen, ob mildere Mittel - so etwa Versetzung oder Anpassung der Vertragsbedingungen - ergriffen werden können. Dass dies nicht möglich sei, wurde von der Beklagten jedoch nicht vorgetragen. Denn vorliegend hatte der Kläger bereits vor Erhalt der Kündigung den Vorschlag unterbreitet, für die Wahrnehmung der Kundenbesuche entweder auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen oder sich auf eigene Kosten einen privaten Fahrer zu organisieren. Beide Lösungsvorschläge stellen dabei eine mildere Alternative zum Ausspruch der Kündigung dar, gegen welche weder rechtliche Gründe, noch solche der Zumutbarkeit sprechen. Die von der Beklagten geäußerten Bedenken hinsichtlich längerer Anfahrtswege, Verspätungen und Wartezeiten waren dabei zu pauschal und machten nicht deutlich, dass der Beklagten oder deren Kunden erhebliche Nachteile entstünden. Eine vertragliche Anpassung, welche dem Kläger die Einstellung eines persönlichen Fahrers ermöglicht hätte, wäre für den Zeitraum der Entziehung möglich und als milderes Mittel daher vorrangig gewesen. Weil sich der Kläger zudem einer Therapie unterzog und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung seinen Führerschein bereits zurückerhalten hatte, fiel auch eine Zukunftsprognose zugunsten des Klägers aus. Mit einer Wiederholung des Fehlverhaltens sei vorliegend nicht zu rechnen. Fazit Der Führerscheinverlust aufgrund einer alkoholbedingten Unfallfahrt bleibt auch weiterhin ein möglicher Kündigungs-grund. Jedoch müssen zur Bewertung der Erfolgsaussichten der Kündigung stets auch die weiteren Begleitumstände herangezogen werden. Bieten sich den Arbeitsvertragsparteien andere Möglichkeiten, um den Verlust des Führerscheins abzumildern bzw. diesen zu kompensieren, so müssen diese ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Eine pauschale Ablehnung aufgrund befürchteter Nachteile reicht hierbei nicht aus. Bietet der Arbeitnehmer folglich alternative Lösungen an, um die Zeit ohne Führerschein zu überbrücken, so kann hierdurch eine Kündigung durchaus erfolgreich abgewehrt werden.