Mit Urteil vom 27.04.2021 hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob es den Vorgaben eines qualifizierten Arbeitszeugnisses genügt, wenn die Beurteilung in tabellarischer Form - ähnlich eines Schulzeugnisses - erfolgt. Wie das BAG in dieser Sache entschied, dazu hier mehr.
Sachverhalt
Der Entscheidung lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde. Zwischen den Parteien bestand seit 2008 ein Arbeitsverhältnis, wobei der Kläger als Elektriker beschäftigt wurde. Dieses Arbeitsverhältnis wurde 2018 durch die Kündigung des Klägers beendet. Zum 30. Juni 2018 erteilte die Beklagte dem Kläger ein Arbeitszeugnis.
Dessen Gestaltung ereignete sich wie folgt. Unter dem Stichwort Aufgabenstellung wurde dabei die Arbeitsleistung des Klägers stichpunktartig aufgelistet.
[„Nach jeweiliger Vorgabe, seinem Ausbildungs- und Fähigkeitsprofil entsprechend […] zugeordnet zur Wartung, Prüfung, Montage, Einrichtung …“]
Eine tiefergehende Beschreibung oder Gewichtung, worin die Hauptaufgaben lagen und wie diese ausgeführt wurden, erfolgte hierbei nicht.
Des Weiteren wurden die Leistungs- und Verhaltensbeurteilungen in tabellarischer Darstellung - ähnlich eines Schulzeugnisses - aufgeführt. Dabei wurden diese mit Schulnoten versehen.
[…]
Fachkenntnisse: befriedigend
Entwicklung: befriedigend
Arbeitsqualität: befriedigend
Arbeitstempo: gut
Verhalten: befriedigend
[…]
Sowohl die stichpunktartige, schlichte Aufzählung, als auch die tabellarische Art der Darstellung sei dabei nach Ansicht des Klägers unüblich und rufe einen negativen Eindruck hervor. Auch die Beurteilungen - welche überwiegend mit „befriedigend“ erfolgten - seien unzutreffend und entsprächen nicht seiner stets guten Leistungen und seinem einwandfreien Verhalten. Dementsprechend beantragte er die Anpassung des Arbeitszeugnisses.
Die Beklagte beantragte die Klageabweisung. Sie war der Auffassung, dass das Zeugnis in seiner ursprünglichen Form den Vorgaben nach § 109 GewO genüge.
Das Arbeitsgericht hatte der Klage teilweise stattgegeben und das Arbeitszeugnis im Tenor in Form eines Fließtextes formuliert. Dagegen legten beide Parteien Berufung ein und hatten damit jeweils Erfolg. Das Landesarbeitsgericht verurteilte die Beklagte zur Zeugniserteilung entsprechend des genannten Inhalts - Zug um Zug gegen Rückgabe des ursprünglichen Zeugnisses vom 30. Juni 2018. Hiergegen legte der Kläger Revision beim BAG ein.
Entscheidungsgründe
Es lag folglich am Bundesarbeitsgericht über den aufgezeigten Rechtstreit zu entscheiden. Nach rechtlicher Würdigung sah das BAG die Revision des Klägers als begründet an, was zur Aufhebung des LAG Urteils und zur Zurückverweisung führte. Das BAG sah durch das erteilte Arbeitszeugnis vom 30. Juni 2018 den Anspruch auf ein schriftliches, qualifiziertes Arbeitszeugnis als nicht erfüllt an.
Der Anspruch ergebe sich dabei aus § 109 Abs. 1 S. 3 GewO. Während das einfache Zeugnis nach § 109 Abs. 1 S. 2 GewO lediglich Angaben zu Dauer und Tätigkeit enthalten müsse, könne das qualifizierte Zeugnis zudem auf die Leistungen und das Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt werden. § 109 Abs. 2 GewO setzt zudem voraus, dass das Zeugnis klar und verständlich formuliert ist und keine versteckten Aussagen enthalten darf, die der äußeren Form widersprächen. Diese strengen Vorgaben dienen besonders der Sicherung der Funktion des Arbeitszeugnisses, welches vor allem für Bewerbungsunterlagen und folglich für die Vorstellung bei einem neuen Arbeitgeber verwendet werde. Auch im Interesse der eigenen Leistungsbeurteilung und folglich der persönlichen Entwicklung sei das Arbeitszeugnis entscheidend.
Der Arbeitgeber habe bei der Erstellung des Arbeitszeugnisses zwar einen gewissen Beurteilungsspielraum, dessen Form und Inhalt richte sich dennoch nach den gesetzlichen Anforderungen - innerhalb seines pflichtgemäßen Ermessens.
Unter Berücksichtigung aller Umstände kam das BAG vorliegend zu dem Ergebnis, dass das vorgelegte Arbeitszeugnis den Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers überschritten habe. Die stichwortartige und tabellarische Darstellung und Bewertung nach „Schulnoten“ entspräche nicht den Vorgaben des § 109 GewO an ein qualifiziertes Arbeitszeugnis.
Das qualifizierte Arbeitszeugnis müsse individuell auf den einzelnen Arbeitnehmer zugeschnitten sein und sowohl dessen Verhalten im Arbeitsverhältnis, als auch die persönlichen Leistungen dokumentieren und widerspiegeln. Um diesen Anforderungen zu entsprechen bedürfe es daher eines individuell abgefassten Textes, aus welchem sich dem Leser die Leistungs- und Verhaltensbeurteilungen erschließen.
Innerhalb des Zeugnisses müssten die einzelnen Bewertungskriterien in einem einheitlichen Text vollständig und unter Zugrundelegung der gesamten Vertragsdauer dargestellt werden. Einzelne Vorfälle, gleich welcher Bewertung, hätten dabei zurückzutreten, sofern diese nicht die Gesamtleistung beeinflusst hätten.
Der verständige Zeugnisleser - in der Regel der potentielle neue Arbeitgeber - habe daher die Erwartung, anhand der Gewichtung der Leistungen und Eigenschaften eine gewisse Aussagekraft zu erhalten, um sich ein Bild über den Bewerber zu machen. Dies entspreche dem Sinn und Zweck des Arbeitszeugnisses. Insbesondere die für das Arbeitsverhältnis prägenden Merkmale seien von hohem Interesse und daher hervorzuheben.
Genau an dieser Aussagekraft fehle es jedoch an dem vorliegenden - tabellarisch gestalteten - Lebenslauf, weshalb das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben war.
Fazit
Es bleibt festzuhalten, dass das Bundesarbeitsgericht Experimenten hinsichtlich des Umfangs und der Ausgestaltung des Arbeitszeugnisses eine Absage erteilt hat. Insbesondere aufgrund seiner enormen Wichtigkeit im weiteren Bewerbungsprozess des ehemaligen Mitarbeiters hat sich das qualifizierte Arbeitszeugnis an den strengen, gesetzlichen Vorgaben zu orientieren. Das heißt, dass eine ausführliche, gewichtende Beschreibung des Verhaltens und der erbrachten Leistungen des Arbeitnehmers erfolgen muss. Eine stichpunktartige Aneinanderreihung genügt dem nicht. Auch die tabellarische Gestaltung samt Bewertung durch Schulnoten wird dieser Bedeutung nicht gerecht. Es bedarf nach Ansicht des BAG auch hier weiterhin einer ausführlichen Darlegung in Form eines Fließtextes.