Ob in den Bergen, am Strand, im Schnee, auf Städtetour oder in den eigenen 4-Wänden: für fast alle Arbeitnehmer ist der Urlaub die wichtigste Zeit des Jahres, um sich von den Strapazen des Arbeitslebens zu erholen. Doch wie viel Urlaub steht mir zu und was passiert, wenn ich den Urlaub nicht innerhalb des Jahres vollständig aufbrauche?
Anzahl der Urlaubstage
Grundsätzlich haben Arbeitnehmer mindestens einen Anspruch auf vier Wochen bezahlten Erholungsurlaub. Dies richtet sich nach § 3 Absatz 1 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz). Demnach hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf jährlich mindestens 24 Tage Erholungsurlaub. Das Gesetz geht dabei jedoch noch von der früher üblichen 6-Tage Woche aus. Der gesetzliche Urlaubsanspruch berechnet sich daher aus der tatsächlichen Anzahl der Arbeitstage pro Woche x 4
[d.h. bei drei Arbeitstagen: 3 x 4 = 12].
Im Rahmen des Arbeitsvertrages oder durch geltende Tarifverträge kann jedoch der Urlaubsanspruch zugunsten der Arbeitnehmer erweitert werden. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der volle Urlaubsanspruch nach § 4 BUrlG erst erworben wird, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate besteht.
Übertragung/Verfall des Urlaubs
Bekannt ist oftmals, dass der Urlaub innerhalb des Kalenderjahres - dem Bezugszeitraum - genommen werden muss. Sollte dies aufgrund von persönlichen oder dringenden betrieblichen Gründen nicht möglich sein, so kann der Urlaub nach § 7 Absatz 3 BUrlG auch in den folgenden drei Monaten des nächsten Jahres - dem Übertragungszeitraum - genommen werden.
Doch ganz so einfach ist es nicht. In den letzten Jahren gab es zum Thema Urlaub einige Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG), welche sich zumeist besonders für Arbeitnehmer günstig auswirkten.
Übertragung bei Krankheit
In den Jahren 2009 [EuGH - Schultz-Hoff] und 2011 [EuGH - KHS] ergingen zwei Entscheidungen, welche sich insbesondere mit der Übertragung von Urlaub befassten, welcher aufgrund von Krankheit/Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden konnte.
In der Schultz-Hoff Entscheidung stellte der EuGH 2009 klar, dass der Urlaubsanspruch unabhängig von einer tatsächlichen Arbeitsaufnahme - also auch bei kranken Arbeitnehmern - entsteht und auch nur dann am Jahresende verfällt, wenn der Arbeitnehmer die tatsächliche Möglichkeit hatte, den Urlaub auch wahrzunehmen. Dies sei aber - gerade in Fällen andauernder Krankheit - nicht der Fall. Diese Entscheidung führte letztlich dazu, dass der Urlaubsanspruch der dauererkrankten Arbeitnehmer zwar normal entstand, jedoch für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht verfallen konnte. Der Urlaub konnte sich somit endlos ansammeln, wodurch sich die Entscheidung vor allem für Arbeitgeber als durchaus kritisch erwies.
Zwei Jahre später „entschärfte“ der EuGH diese Rechtsprechung auch unter Berücksichtigung der Folgen für Arbeitgeber. In der KHS-Entscheidung lies der EuGH die Begrenzung der Urlaubsansammlung auf einen Zeitraum von 15 Monaten zu. Dies bedeutet, dass der Urlaubsanspruch [z.B. für das Jahr 2020] erst 15 Monate nach Ende des Jahres [hier: mit Ablauf des 31.März 2022] verfallen kann - sofern der Arbeitnehmer in dieser Zeit dauerhaft erkrankt war.
Ein Ende der Antragspflicht
Erhebliche Auswirkungen hatte auch die sog. Max-Planck-Entscheidung des EuGH vom 22.11.2018, welche insbesondere das Kräftegleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ins Visier nahm.
Bis zu dieser Entscheidung war es gängige Praxis, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub beantragte um diesen wahrzunehmen. Sofern dieser Antrag jedoch nicht gestellt wurde verfiel der Urlaub nach den Regeln des § 7 Absatz 3 BUrlG. Die Initiative musste folglich vom Arbeitnehmer ausgehen, welcher jedoch aus verschiedensten Gründen daran gehindert war bzw. davor zurückschreckte seinen Anspruch wahrzunehmen. Der EuGH und später auch das Bundesarbeitsgericht verlagerten in der Folge mit ihren Entscheidungen diese Initiativlast. Entsprechend des oben bereits genannten Grundsatzes, dass der Urlaub nur verfallen darf, wenn der Arbeitnehmer die tatsächliche Möglichkeit zur Wahrnehmung hatte, wurden dem Arbeitgeber Mitwirkungspflichten auferlegt.
Der Arbeitgeber, als stärkere Partei des Arbeitsverhältnisses, muss nun seine Arbeitnehmer auffordern, den bestehenden Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Weiterhin muss er die Arbeitnehmer umfassend, transparent und vor allem rechtzeitig darüber informieren, wie viel Urlaub diesen noch zur Verfügung steht. Letztlich müssen die Arbeitnehmer auch darüber belehrt werden, dass der Urlaub am Ende des Übertragungszeitraums verfällt, wenn er nicht wahrgenommen wird.
Dies heißt konkret: Der Arbeitgeber sollte Sie mindestens zweimal im Jahr über die Anzahl Ihrer offenen Urlaubsansprüche informieren, Sie zum Urlaub auffordern und Sie über die Folgen belehren. Nur wenn er diesen sog. Mitwirkungsobliegenheiten nachkommt und Sie den Urlaub aus freien Stücken nicht wahrnehmen verfällt der Urlaub am Ende des Zeitraums nach § 7 Absatz 3 BUrlG. Sollte Ihr Arbeitgeber einer dieser Verpflichtungen nicht nachgekommen sein, so verfällt Ihr Urlaubsanspruch nicht und Sie können diesen auf das nächste Jahr übertragen.
Wichtig! Diese Urteile bezogen sich auf den gesetzlichen Mindesturlaub, wie er sich nach der oben genannten Formel aus
§ 3 BUrlG zusammensetzt. Sofern Sie durch Ihren Arbeitgeber oder durch einen geltenden Tarifvertrag zusätzlichen Urlaub gewährt bekommen, gelten hierfür zwar ebenso zunächst die oben dargelegten Mitwirkungspflichten und Verfallsregeln. Der vertragliche Mehrurlaub kann jedoch durch Abschluss abweichender Vereinbarung auch anderweitig geregelt werden [vgl. BAG - 9 AZR 546/17].
Fazit
Wie Sie sehen hat sich im Urlaubsrecht in den letzten Jahren einiges gewandelt. Auch aktuell liegen einige Entscheidungen vor den obersten Gerichten, auf welche man regelmäßig einen Blick werfen sollte.